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Hohe Auszeichnung für die Gailtal-Klinik und das LKH Laas
Vorsichtig nimmt die Pflegekraft ein Mikrolagerungskissen unter der rechten Schulter des Patienten heraus und positioniert es neu. So vorsichtig, dass der Patient in seiner Nachtruhe nur unwesentlich gestört wird, und es keiner zweiten Pflegeperson zur Unterstützung Bedarf.
Eine andere Pflegekraft „rollt“ ihre Patientin in eine neue Position. Mit wenigen Handgriffen gelingt es ihr, die Patientin im Bett nach oben zu positionieren. Fast wie durch Zauberhand. „Früher brauchte es dazu manchmal zwei Pflegekräfte und oft noch ein Tuch als Hilfsmittel. Das kostete Kraft, bescherte dem Pflegepersonal nicht selten Rückenbeschwerden und war auch für den Patienten wenig angenehm“, erklärt Pflegedienstleiterin der Gailtal-Klinik und dem LKH Laas, Doris Kazianka-Diensthuber. Zusätzliche Weichlagerungsmatratzen oder andere Mobilisationshilfsmittel der Pflege, gehören der Vergangenheit an, und werden nur mehr in speziellen Einzelfällen für kurze Zeit verwendet.
Jahrelange Praxis im Alltag
„Es hat viel mit Selbsterfahrung zu tun“, betont eine Pflegekraft. Erst wenn man es an sich selbst spürt, wird man für die Bewegung sensibilisiert und achtet so auch beim Patienten darauf. Im LKH Laas und der Gailtal-Klinik wird seit 2006 nach dem Konzept der Kinaesthetics gearbeitet und die Basis des neuen Verständnisses geschaffen. Nun wurde den beiden KABEG-Häusern eine Auszeichnung der European Kinaesthetics Association verliehen – als erste Spitäler in Österreich.
„Kinaesthetics wurde seit Jahren von den Pflegenden in beiden Einrichtungen im Alltag angewendet. Es zeigte sich aber in dieser Zeit, das vertraute Bewegungsmuster nur verändert werden, wenn eine kontinuierliche Beratung und Betreuung vor Ort Teamlernen möglich macht.“, erklärt Kazianka-Diensthuber. So wurde im Juni 2012 ein Bildungsprojekt gestartet, das über ein Jahr in beiden Häusern gelebt und bearbeitet wurde. Hier ging es darum, eine gemeinsame Lernkultur zu entwickeln, die Garant für erfolgreiche Organisationen ist. In Sozial- und Gesundheitseinrichtung ist die Qualität der Arbeit wesentlich von der Kompetenz und der Selbstverantwortung der einzelnen Mitarbeiter bzw. der jeweiligen Arbeitsteams abhängig.
Um die Wirkung dieses Projektes auch nachweisen zu können, wurden der Einfluss auf die Teamarbeit, die persönliche Gesundheit, die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und die Qualität der Pflege zu Beginn und am Ende einer Bewertung unterzogen. „Die Ergebnisse sind vielversprechend, auch wenn die Teams bereits mit einem hohem Level gestartet waren, weil Patientenorientierung immer schon ein Mittelpunkt in den beiden Häusern war“, so die Pflegedirektorin.
Angst bei Patienten individuell abbauen
Kinaesthetics als Erfahrungswissenschaft, beschäftigt sich mit der Stärkung der Bewegungskompetenz. Pflegemitarbeiter lernen ihre Bewegung in der Arbeit so einzusetzen, dass ihre Gesundheit nicht gefährdet wird. Den Patienten lernen sie, ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und so ihre Selbstständigkeit weitgehend zu erhalten. Ältere Menschen weisen oft eine Verarmung der Bewegungsmuster auf, die nicht altersbedingt, sondern auf (Ver-)Lernprozessen beruhen. Menschen schränken, z.B. im Alter ihre Tätigkeit ein, weil sie Angst davor haben zu stürzen.
Durch den entspannten Umgang zwischen Pflegenden und Patienten verlieren sie diese Angst. Pflegende warten auf die Bewegung des Patienten und es gibt keine standardisierten Abläufe. Der Patient entscheidet, wo er Unterstützung benötigt und so wird diese immer auf die Situation angepasst und der Patient nicht überfordert. Pflegekräfte werden durch Kinaesthetics sensibler für diese Abläufe und lernen auch ihre eigene Bewegungsmuster dabei zu beachten. So gelingt es, dass trotz Reduktion von Hilfsmitteln wie Hebelifter, weniger Rückenbeschwerden entstehen. Die Pflegekräfte arbeiten Großteils allein mit den Patienten, was eine tiefe Achtsamkeit ermöglicht und keine Ablenkungen beinhaltet.
Wesentlich ist auch, dass ein Bildungsprojekt dieser Art, die Unterstützung der Führungskräfte hat. „Wird dem Patienten genügend Zeit gegeben, dann zeigen sich die positiven Folgen für beide Seiten“. Wenn die Mitarbeiterin der Pflege das Tempo im Alltag nicht reduzieren lässt, weil sie vom Ergebnis nicht überzeugt ist, kann es auch nicht gelingen. Das Teamlernen im Bildungsprojekt des vergangenen Jahres hat die Veränderung der Kultur ermöglicht und gezeigt, dass auch in Personal knappen Zeiten die Ruhe im Tun sehr viel verändern kann, ohne letztendlich viel mehr Zeit zu benötigen.